Willkommen auf der Homepage von Radsport am Lederberg
Wohnt man in Stuttgart und bewältigt die hierorts vorhandenen Anstiege und Abfahrten mit dem Fahrrad, sollte man das gute Stück auch selbst reparieren können. Es sei denn, man steht gern in einem Geschäft und fühlt sich unerwünscht wie ein Giftpilz im Risotto. Zumal, wenn man es noch heuer wiederbekommen will und womöglich Sonderwünsche und Fragen hat.
Die Ausnahme hiervon heißt „Radsport Wolbold“, eine Art kulturpolitische Initiative im uneitlen Gewand, wo gleichzeitig geschraubt, gelötet, geklemmt, justiert, beraten, telefoniert, schlauchreifengeklebt, probegefahren, speichenersetzt, achterzentriert, nabengeschmiert, kettengewechselt und geseelsorgt wird. Meistens sofort, wenn es die Besucherdichte zulässt. Hinfahren, den Defekt oder das Problem andeuten, etwas warten, wupp, fertig.
In unzähligen Geheimfächern, Kammern und Gewölben wird anscheinend alles, was je im Velobereich erdacht worden ist, vorrätig gehalten. Auch „Sixtufit“ Gesäßcreme, die nicht abnormen Sexualpraktiken, sondern vielmehr dem Erhalt der menschlichen Sitzfläche dient. Auch Produkte der Firma Campagnolo*, die nachzufragen andernorts ein klingonenartiges Stirnrunzeln und unwilliges Murren hervorruft. Und auch eine (scheinbare?) Dopingblutkonserve mit der Aufschrift „Einlauf für Frau Eisenmann“ - ein verschrobener Scherz auf Kosten dieser verdienten Kultur- und Sportpolitikerin, die uns seinerzeit aus dem Dopingsumpf retten wollte**. Anscheinend war man hier anderer Meinung, als die offizielle Berichterstattung hinsichtlich der Straßenrad-WM 2007 in Stuttgart, hielt sich aber insgesamt und abgesehen von der Blutkonserve doch sehr zurück, wissend, dass die Geheimnisse der Leistungsentfaltung und deren ethisches Environment auch und gerade bei Radsportlern, der Öffentlichkeit nur schwer vermittelbar sind.
Dieses Zentrum der Fahrradkultur liegt auf halber Höhe zwischen Hedelfingen und Heumaden, am Rand des sehr soliden Stadtteils Lederberg. Man sah dort schon Rentnerinnen mit Klapprad, deren Reifendruckprobleme direkt neben einem nagelneuen 6-kg-Niedriggewichtsrennrad mit Dura-Ace-Elektro-Kettenschaltung (funkgesteuert (!), man kann es gerne ausprobieren...) behoben wurden – zwei Welten, vereint inmitten von Vorgärten mit gepflegten Hecken und kleinen, verwinkelten Sträßchen, die „Im Rosenbusch“, „Unter den Birken“, oder wie im geschilderten Fall, „Riederstraße“ heißen. Das Hauptaugenmerk liegt, wie der Name dieser Institution ahnen lässt, natürlich auf dem Straßenradsport, aber auch Mountainbiker, Retrobikefans und andere Fahrradbegeisterte finden bei Wolbolds aller Wahrscheinlichkeit nach das, was sie suchen.
Bemerkenswert ist weiterhin, daß dort während der eher knapp bemessenen Geschäftszeiten, Mo-Fr 16.00-19.00, Sa 9.00-12.00 Uhr, regelrechte Radsportsilbernacken (gerne auch in größeren Horden) vorzufinden sind. Es bilden sich Diskussionsforen, der eine oder andere lässt sich über die alten Zeiten befragen, ein wenig schwäbische Gemütlichkeit gepaart mit manch knitzer Bemerkung über das Zeitgeschehen, die zahlreichen Bilder und Fotografien an den Wänden wollen kommentiert sein, aber auch der zu erwartende Umzug des besten Ministerpräsidenten aller Zeiten nach Brüssel wird beweint.
Schließlich handelt es sich ja hier (noch ein letztes Mal sei es angedeutet) um Kultur und nicht um ein in schnöder Gewinnerzielungsabsicht geführtes Unternehmen, dessen Zweck es ist, im Minutentakt Waren an den Mann oder die Frau zu bringen.
*Tullio Campagnolo war immerhin der Erfinder des Schnellspanners für Fahrradnaben und der Kettenschaltung, heute stellt das Unternehmen besonders formschöne Komponenten für Rennräder her.
**Näheres erfährt man, wenn man nach „Rad-WM 2007 Doping“ googelt.
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